Zwischen 1938 und 1975 war der O-Bus (Oberleitungsbus) in Leipzig ein fester Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs. Getestet wurde er bereits ab 1912. Sauber, leise, elektrisch – und vor allem effizient. Heute hingegen fahren wieder batteriebetriebene Kolosse mit komplexer und rohstoffintensiver Technik durch die Stadt. Warum wurde ein bewährtes, umweltfreundliches System aufgegeben? Und warum wird nicht gerade jetzt über eine Rückkehr nachgedacht?
Warum wurde der O-Bus abgeschafft?
In Leipzig wurde der letzte O-Bus am 31. Mai 1975 verabschiedet. Offizieller Grund: zu hoher Aufwand für die Oberleitungsinfrastruktur und mangelnde Flexibilität. Die ganze Wahrheit: Im RGW-Raum sollte es nur einen großen Bushersteller geben, und alle Länder mussten ihn abnehmen – so wie Krabbenchips aus Vietnam und grün-schroffe Orangen aus Kuba, die eigentlich nur für Saft taugten. Es kamen Ikarus-Dieselbusse aus Ungarn: laut, teuer, stinkend, klimaschädlich – aber politisch und wirtschaftlich opportun. Das war DDR-Planwirtschaft.
Heute – 50 Jahre später – wird elektrisch wiederentdeckt. Aber nicht mit effizienter Oberleitung, sondern mit akkugepanzerten E-Bussen, die Energie mit riesigen Verlusten speichern, tonnenschwere Batteriepakete spazieren fahren und globale Lieferketten von Kobalt, Lithium und seltenen Erden anzapfen. Zusätzlich braucht man spezielle Löschmethoden – aber das führt hier zu weit. Nachhaltigkeit? Kaum. Klimaeffizienz? Fragwürdig. Und im Prinzip ist es diesmal EU-Planwirtschaft, denn kein Verkehrsunternehmen schafft diese Busse freiwillig und aus wirtschaftlichen Gründen an.
Wem nützt es?
Es geht nicht nur ums Klima – es geht um:
- Industriepolitik: Die Batterieindustrie ist ein Milliardengeschäft.
- Flexibilität: Buslinien sollen schnell änderbar sein – ein Scheinargument.
- Imagepflege: E-Busse gelten als „modern“.
- Fehlende Vision: Oberleitungsbusse gelten als altmodisch – ein Denkfehler.
Dabei wäre ein modernes O-Bus-Netz mit intelligenter Nachladung, Hybridbetrieb mit Supercaps oder Miniakkus die ehrlichere Lösung. Mehrere Städte wie Salzburg, Zürich, Solingen zeigen, wie’s geht – Leipzig hat’s einst bewiesen und dann verdrängt.
“Oberleitungsnetze sind zu kompliziert”
Das Argument, Oberleitungsinfrastruktur sei zu aufwendig oder kompliziert, ist bei genauer Betrachtung nicht haltbar – vor allem nicht in Städten wie Leipzig, wo das Oberleitungsnetz für Straßenbahnen bereits existiert. Der Unterschied? Die Straßenbahn braucht zusätzlich ein aufwendig zu pflegendes, exklusives und extrem teures Schienennetz.
Dieser Gleiskörper ist die meiste Zeit ungenutzt: Straßenbahnen fahren im 10- bis 20-Minuten-Takt, dazwischen ist der Raum leer. Gleichzeitig streiten sich auf den verbleibenden Straßenflächen Autos, Radfahrer und Busse um jeden Meter – Konflikte sind programmiert und real.
Mit O-Bussen könnten viele dieser Flächen effizient genutzt werden: kein Gleiskörper nötig, direkter Strombezug über Oberleitung, minimale Infrastrukturmaßnahmen. Die Technik erlaubt heute sogar den Betrieb mit Hochleistungs-Kondensatoren oder kleinen Akkus, die über Strecken von mehreren Minuten durchhalten. An jeder großen Haltestelle oder bei Kreuzung mit einer Hauptlinie ließe sich nachladen.
Neue Lösungen für alte Probleme
So könnten Hauptachsen in Leipzig wieder mit O-Bussen bestückt werden – etwa die Prager Straße, Karl-Liebknecht-Straße, Georg-Schumann-Straße – dort, wo ohnehin Straßenbahnen fahren. Nebenäste, Stadtteile und der Landkreis könnten per O-Bus mit Kondensator-Unterstützung erschlossen werden. Völlig emissionsfrei. Ohne neue Infrastruktur.
Ein reales Beispiel für die Chancen bietet bereits heute das sogenannte Flexa-System: Kleinbusse, die ab den Endhaltestellen Fahrgäste flexibel ans Ziel bringen. Super Idee – doch warum muss erst umgestiegen werden? Ein kleiner, elektrischer Linienbus könnte genau das direkt tun – kein Gelenkbus mit 50 m Länge, sondern ein wendiger O-Bus mit Hybridantrieb über Oberleitung und Pufferspeicher.
Umweltvergleich – O-Bus, Diesel, Batterie
Kriterium | O-Bus (Oberleitung) | Dieselbus (Ikarus etc.) | Batterie-E-Bus (heute) |
---|---|---|---|
Emissionen | Keine direkten, minimale indirekte | Hoch (NOx, CO₂, Feinstaub) | Keine direkten, hohe indirekte |
Wirkungsgrad | ~95 % | ~25–30 % | ~60–70 % |
Energiequelle | Direkt aus dem Netz | Fossiler Brennstoff | Teure Charger, Batterien, Zuleitungen |
Batteriebedarf | Nein, gering bei Hybrid | Nein | Hoch (Lithium, Kobalt etc.) |
Infrastruktur | Oberleitungen, Schalttechnik | Tankstellen, Depots | Ladestationen, Energiemanagement |
Lebensdauer | Sehr hoch (20–30 Jahre) | Mittel (15 Jahre) | Niedriger (10–12 Jahre, Akku ca. 6–8) |
Quellen & weiterführende Informationen
Historische Entwicklung Leipzig
- Oberleitungsbus Leipzig – Wikipedia (abgerufen 6. Juli 2025)
- Obus – Leipzig‑Lexikon (abgerufen 6. Juli 2025)
Ikarus & RGW‑Planwirtschaft
3. Ikarus (Bushersteller) – Wikipedia (abgerufen 6. Juli 2025)
Ökobilanz & Technikvergleiche
4. Umweltbundesamt: Umweltfreundlich mobil! (2021)
5. NASA GmbH: Vergleichende Studie zum Einsatz von Linienbussen (2024)
6. ITF/OECD: Good to Go? Assessing the Environmental Performance of New Mobility Services (2025)
7. PwC / ifeu / BMWK: Begleituntersuchung zur Förderung von Elektrobussen im ÖPNV – Kurzfassung (2024)
8. UITP: In‑Motion Charging – Innovative Trolleybus Systems (Knowledge Brief, 2024)
Best‑Practice‑Obusnetze
9. Salzburg AG: Obus Salzburg – emissionsfreies Verkehrsmittel Nr. 1 (2025)
10. Sustainable Bus: New trolleybuses for Salzburg and Innsbruck (5. Dez 2024)
Leipziger Flexa‑System
11. Busverkehr in Leipzig – Wikipedia, Abschnitt „Flexa“ (aktualisiert 2025)
Batterierisiken & Brandschutz
12. NFPA Journal: The Lithium‑Ion Challenge (2024)
13. EV Fire Safe: EV Battery Fire Suppression Methods (2025)
EU‑Rahmenbedingungen
14. Europäische Kommission, Climate Action: Heavy‑Duty Vehicles – New Standards (März 2025)
Fazit: Der O-Bus war keine Altlast – er war seiner Zeit weit voraus. Heute, mit moderner Technik, Netzintelligenz und Speicherkapazität, könnte er genau das leisten, woran Batterie-E-Busse noch scheitern: Eine nachhaltige, bezahlbare, gerechte Verkehrswende – besonders für Städte wie Leipzig, die das System bereits einmal erfolgreich betrieben haben.
Die Frage ist nicht, ob es geht. Sondern: Wer ist verantwortlich, dass es nicht gemacht wird?