Viva Air France

Eine Reise zwischen Nostalgie und Chaos

Es gibt Dinge, die man einmal erlebt haben sollte, um später genüsslich darüber zu schreiben. Ein Langstreckenflug mit Air France gehört definitiv dazu. Da fallen bei mir jedes Jahr ein paar Meilen an, die ich für ein Upgrade in die Businessklasse nutze, Luxus pur, sollte man meinen. Teuer bleibt es trotzdem – aber 9 Stunden Economy? Für mich als wohlstandsverwahrloster Zeitgenosse beschwerlich. Diesmal ging es in die Karibik, nach St. Martin, für meine Familie und mich. Air France ist quasi alternativlos für diese Strecke, aber nach dieser Erfahrung frage ich mich: Ist das ein Privileg oder eine Strafe?

Willkommen in der Zeitmaschine

Schon beim Einsteigen kommt man ins Grübeln: Die Uniformen der Crew scheinen direkt aus Orwells 1984 importiert worden zu sein – mit einem Hauch von kaltem Krieg und ein bisschen zu viel Schulterpolstern. Es ist eine Zeitreise in die 80er Jahre, und dazu passt auch das Personal. Freundlich, aber erschreckend überfordert, schleppt sich eine resolute Dame durch die Kabine. Ihre bunt geschminkten Lippen, dralle Figur und der Blick, der vermutlich nur an die Rente denkt, verleihen ihr einen Charme, der irgendwo zwischen französischem Chanson und trotzigem Beamtenstatus liegt.

Sitzkomfort: Ein Fall für den Chiropraktiker

Die Verspätung von zwei Stunden wurde mit stoischer Gelassenheit angekündigt – immerhin, da sind sie konsequent. Die Sitze? Eine Zumutung. Der Gurt war so kurz, dass ich fast begann, Diätpläne neu zu überdenken, und er scheuerte mir gleichzeitig den Hals blutig. Man hat ja dort merkwürdige 3-Punkt-Gurte. Die Idee, mich während des Fluges irgendwie sitzend zu entspannen, konnte ich schnell begraben. Im Liegen jedoch, war es am Ende ganz bequem, wofür mein Rücken sehr dankbar war.

Service mit einer Prise Chaos

Die Krönung kam während des Bordservices. Der Champagner floss in Strömen – leider nicht nur in die Gläser, sondern zweimal fiel das Glas herunter, über meine Hose und Schuhe, dank des ambitionierten Asiaten, der mehr über meinen französischsprachigen Nachbarn, als über mein Wohlbefinden nachdachte. Entschuldigt hat sich natürlich niemand. Wie erging es meiner Familie? Die wurde schlichtweg vergessen. Keine Getränke, keine Snacks, und selbst als wir nachfragten, wurde uns gesagt: “Kommt gleich.” Leider kam nichts – außer einem tiefen Gefühl der französicher Ignoranz. Ursache unklar. Sprachen wir nur nicht französisch oder ist es purer Rassismus? Wir mutmaßen es nur. Das Essen war insgesamt ganz ok.

Das Entertainmentsystem, eine eigene Geschichte

Das Entertainmentsystem hatte offenbar seinen eigenen Willen. Es hing sich regelmäßig auf, man gönnte ihm auf Zuruf jeweils einen Neustart. Am Ende fast genauso anstrengend wie der Flug selbst. Immerhin, und das will ich positiv hervorheben: Im Gegensatz zu manch älteren (Boing) Flugzeugen wurde uns kein Zugang zum System des Fliegers gewährt. Eine kleine, aber wichtige Sicherheit, die ich gern später einmal thematisieren will.

Die Crew: Zwischen morbidem Charme und subtiler Komik

Besonders erwähnenswert war der ältere asiatische Flugbegleiter, der, sagen wir mal, erfahren wirkte. Freundlich, aber mit einem Hauch morbiden Charmes, bediente er uns, während er heimlich hinter dem Vorhang die Reste der Käsevariationen verschlang. Seine Kollegin, die „Wuchtbrumme“ mit den knallroten Lippen, trat mir mehrfach gegen die Beine, ohne mir einen Blick zurückzuwerfen. Effizienz auf französische Art, könnte man sagen. Man sollte diese sozialistischen Beamten-Servicekräfte mal auf eine Reise mit Qatar Airlines oder Emirates mitnehmen. Dort wäre selbst in der Economy-Class der Service besser. Aber warum anstrengen (beginnend in der HR Abteilung), offenbar ist man bei Air France unkündbar. Meine Theorie.

Kulinarik: Ein Rätsel für die Sinne

Das Essen? Tiefgefrorene Brötchen und auch tiefgekühltes Besteck, warum auch immer. Immerhin war der Käse gut – jedenfalls der Teil, der nicht beim asiatischen Kollegen landete. Aber zu Ehrenrettung: Das Essen war genießbar und ausreichend. Das Beef, offenbar “Sous vide” gegart, sogar gut.

Das Fazit: Viva Air France?

Am Ende waren wir nur eine Stunde zu spät. Aber was sind schon 10 Stunden Flugzeit, wenn man dafür eine Geschichte mit morbidem Charme, unfreiwilligem Humor und französischer Ignoranz bekommt? Die eisige Kälte und die Zugluft im überalterten Flieger fügen der Geschichte nur die nötige Pointe hinzu.

Viva Air France. Weil das Leben ohne euch einfach zu langweilig wäre.

Die Realität der Karibikinseln

Überraschung: Postkartenmotive sind ein Klischee

Die Karibik, ein Synonym für endlose Sandstrände, türkisfarbenes Wasser und Kokospalmen, die im sanften Meereswind wiegen – ein Traumziel für viele Reisende. Doch wer genauer hinschaut, wird feststellen, dass Karibikinseln dem Klischee meist nicht entsprechen. Drei solcher Inseln, nämlich Martinique, Dominica und Guadeloupe haben wir 2023 umsegelt, sie erzählen eine Geschichte, die über die glänzenden Broschüren der Cuiser hinausgeht.


Kokospalmen: Fremde Gäste in der Karibik

Es mag überraschend klingen, aber Kokospalmen sind dort nicht heimisch. Ursprünglich stammen sie aus dem Pazifikraum und wurden durch menschliche Aktivitäten in die Karibik eingeführt. Die malerischen Palmenalleen, die oft mit der Karibik assoziiert werden, sind also keine einheimischen Bewohner, sondern vielmehr Exoten. An einige Stränden wurden sie nur für “das Foto” gepflanzt.


Schön, aber klein: Die Strände

Die Strände dieser Inseln sind zweifellos schön, jedoch schmal und nicht so ausgedehnt wie man es aus anderen Teilen der Welt kennt. Die traumhaften Postkartenmotive erstrecken sich oft nur über kurze Abschnitte, und es kann schnell eng werden, besonders in der Hochsaison. Vom Boot aus findet man aber immer einen schönen Platz. Für “normale” Reisende, die sich einsame und endlose Sandstrände wünschen, könnten diese Inseln eine Enttäuschung sein. Mit großen Schildkröten zu schwimmen, die es an bestimmtem Stellen gibt, ist ein tolles Erlebnis.


Traurig: Korallensterben in der Karibik

Die Unterwasserwelt der Karibik hat ein ernstes Problem – das Korallensterben. Trotz ihrer einstigen Pracht und Vielfalt sind die Korallenriffe z.B. vor Guadeloupe größtenteils abgestorben. Eine Insel voll mit großen Leguanen locken viele Touristen an. Umweltverschmutzung, Tourismus und andere menschliche Einflüsse haben hier ihre Spuren hinterlassen. Taucher und Schnorchelfans, die eine intakte Unterwasserwelt suchen, sollten sich daher möglicherweise nach anderen Reisezielen umsehen.

Quelle: SY Kirke

Die Realität der Bewohner

Die Einwohner der Inseln, besonders Dominica kämpfen häufig mit wirtschaftlichen Herausforderungen, und Armut ist weit verbreitet. Dies spiegelt sich auch in der Infrastruktur und den Lebensbedingungen wider. Zudem kann ich berichteten, dass die französisch sprechenden Bewohner, die einige dieser Inseln kontrollieren, nicht immer die freundlichsten Gastgeber sind. Für mich “Weißen” eine neue Erfahrung. Meine Partnerin hingegen, kann nur Positives berichten, sie ist nicht weiß. Französisch sprechen wir beide nicht, haben es aber immer wieder versucht.


Seychellen vs. Karibik: Ein Vergleich

Für diejenigen, die bereits die Seychellen besucht haben, könnte die Karibik enttäuschend wirken. Die Seychellen bieten eine atemberaubende natürliche Schönheit, intakte Korallenriffe und eine einzigartige Kultur. Wer also bereits die Seychellen erlebt hat, könnte sich fragen, ob die Karibikinseln wirklich eine lohnende Alternative sind. Für mich erscheinen die Seychellen attraktiver. Allerdings nur vom Wasser aus, denn die Hotelpreise sind dort jenseits von Gut und Böse. Die Karibik (hier!) ist deutlich günstiger. Nur die Lebensmittelpreise sind sehr hoch.


Erbe der Kolonialzeit

Die Karibik zeigt die Spuren einer komplexen und oft umstrittenen Vergangenheit. Historisch gesehen waren diese Inseln Schauplätze ständiger Besitzerwechsel zwischen den europäischen Mächten England und Frankreich. St. Lucia wechselte wohl 14 mal den Besitzer. Der koloniale Wettlauf, der im 17. Jahrhundert begann, hinterließ einen tiefen Einfluss auf die Kultur und die sozioökonomischen Strukturen dieser Inseln. Diese wechselhafte Geschichte spiegelt sich bis heute in den Architekturstilen, Sprachen und kulturellen Bräuchen der Einwohner wider. Heute nennt man sie Kreolen.


Das Schicksal der Sklaven: Ein düsteres Kapitel

Die Kolonialzeit brachte jedoch nicht nur kulturelle Veränderungen mit sich, sondern auch ein schreckliches Schicksal für die afrikanischen Sklaven, die in die Karibik gebracht wurden. Der transatlantische Sklavenhandel florierte in dieser Region, und die Sklaverei wurde zu einem tragischen Eckpfeiler der kolonialen Wirtschaftsstrukturen.Die Sklavenarbeit auf den Zuckerrohrplantagen prägte das soziale Gefüge und die Wirtschaft der Inseln. Die Behausungen der Sklaven auf den Plantagen kann man heute noch sehen. Die Grausamkeiten, die den Sklaven zugefügt wurden, sind tief in der Geschichte dieser Orte verwurzelt. Die Nachwirkungen der Sklaverei sind auch heute noch in sozialen Strukturen, Rassenbeziehungen und wirtschaftlichen Disparitäten zu spüren.


Kulturelle Vielfalt als Erbe der Geschichte

Trotz des schmerzhaften Erbes der Sklaverei und der wechselvollen Kolonialgeschichte haben diese Inseln eine bemerkenswerte kulturelle Vielfalt bewahrt. Die Kreolensprache, eine Mischung aus europäischen und afrikanischen Einflüssen, ist ein lebendiges Beispiel für die kulturelle Synthese, die auf diesen Inseln entstanden ist. Musik, Tanz und kulinarische Traditionen tragen ebenso dazu bei, die reiche kulturelle Palette zu gestalten, die die Karibik ausmacht.


Ein Blick über die Postkarten hinaus

Die Karibikinseln Martinique, Dominica und Guadeloupe mögen nicht das exotische Paradies sein, das viele sich vorstellen. Dennoch ist die kulturelle Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung bemerkenswert und macht die Karibik zu einem faszinierenden, wenn auch oft missverstandenen Reiseziel. Ein Blick über die Klischees hinaus offenbart eine andere Schönheit, die es wert ist, erforscht und verstanden zu werden.